Computer werden immer schneller und leistungsfähiger. Das
gilt nicht nur für den Personalcomputer im Büro, sondern auch
für die weltweit schnellsten Hochleistungs-Parallellrechner, die heute
schon mehr als eine Billion Rechen-Operationen in nur einer Sekunde ausführen
können. Insbesondere durch sie hat sich mit dem "Wissenschaftlichen
Rechnen" und der "Numerischen Simulation" in den Naturwissenschaften neben
dem traditionellen praktischen Weg (Experiment und Beobachtung) und dem
theoretischen Ansatz (mathematische Formulierung) ein vielversprechender
dritter Weg herausgebildet, um die Wirklichkeit zu beschreiben. In Bonn
arbeiten die Spezialisten dieses Fachgebiets in der Abteilung für
Wissenschaftliches Rechnen und Numerische Simulation im Institut für
Angewandte Mathematik.
Die Forscher gehen hier folgenden Weg: Zunächst wird ein Modell entwickelt, das den ausgewählten wissenschaftlichen Zusammenhang mathematisch beschreibt. Darauf aufbauend folgt - nach geeigneter Diskretisierung - die numerische Simulation des Prozesses, der dann als Experiment auf einem Rechner durchgeführt werden kann. Die Wirklichkeit wird dabei quasi in den Rechner geholt. Versuche können so mit leicht veränderten Parametern oder Geometrien beliebig oft wiederholt werden, um diese zu optimieren, ohne daß wertvolles Material verpufft, zerschellt, explodiert, erfriert oder unwiederbringlich verloren ist. Dabei stehen wesentlich mehr Daten zur Verfügung, als bei traditionellen Experimenten je erfaßbar sein werden. Die für realistische Anwendungen benötigte hohe Auflösung des Simulationsgebiets führt zu extrem hohen Anforderungen an Rechenzeit und Speicherplatz, insbesondere wenn zeitabhängige Vorgänge in drei Raumdimensionen simuliert werden sollen.
Eine aktuelle Fragestellung, die von der Abteilung für Wissenschaftliches Rechnen und Numerische Simulation am Institut für Angewandte Mathematik untersucht wird, ist daher die Suche nach Methoden, die die Lösung der diskreten Probleme möglichst schnell bestimmen können. Die hier angewandten Methoden sind z.B.: Mehrgitterverfahren, Wavelet- und schnelle Multipolmethoden. Darüber hinaus ist es das Ziel der Wissenschaftler sich mit möglichst geringem Speicheraufwand der Lösung der zugrundeliegenden Probleme möglichst weit mathematisch annähern zu können. Hierzu stehen dann sogenannte Adaptive Verfahren zur Verfügung.
Im Rahmen des Teilprojekts D des Sonderforschungsbereichs (SFB) 256 "Nichtlineare partielle Differentialgleichungen" wird so zum Beispiel seit kurzem auf dem Rechner-Cluster "Parnass2" die Moleküldynamik-Simulation des Biegens von Kohlenstoff-Nanoröhrchen durchgeführt. Kohlenstoff-Nanoröhrchen zeichnen sich als vielversprechende Materialien zur Entwicklung neuer Werkstoffe aus, da ihre mechanische Reißfestigkeit etwa 200 Mal so groß ist wie die von Stahl - bei nur einem Sechstel des spezifischen Gewichts. Auch ihre Druckfestigkeit und Steifigkeit übertrifft die Grenzen herkömmlicher Materialien um ein Vielfaches. Schnelle Algorithmen ermöglichen hier die effiziente Berechnung der Kräfte, die zwischen den wechselwirkenden Teilchen herrschen. Die direkte Messung der mechanischen Eigenschaften ist hingegen praktisch unmöglich, da die entsprechenden Experimente im Bereich einer atomaren Längenskala duchgeführt werden müßten.
Möglichst realitätsnahe Simulationen solch aufwendiger Prozesse werden mit Hilfe von Hochleistungsrechnern berechnet. Dies sind mittlerweile fast durchweg Parallelrechner verschiedenster Bauart, die auf der unabhängigen, gleichzeitigen Ausführung verschiedener Programmteile auf voneinander getrennten Prozessoren aufbauen. Neben einer Reihe von kommerziellen massiv-parallelen Hochleistungsrechnern, gibt es zunehmend auch Eigenbauten dieses Rechnertyps in Form von Rechner-Clustern. Herkömmliche Arbeitsplatzrechner und PCs werden dabei mit Verbindungsnetzen gekoppelt als Parallelrechner betrieben. Im Zuge der Entwicklung von Rechner-Clustern am Institut für Angewandte Mathematik entstand mit Unterstützung des SFB 256 ein Cluster aus Linux PCs mit Namen "Parnass2". Durch den Einsatz des speziellen Hochgeschwindigkeitsnetzes Myrinetund mit insgesamt 144 Prozessoren braucht es den internationalen Vergleich mit den weitaus teureren und daher wenigen kommerziellen parallelen Rechnersystemen nicht zu scheuen.
Mit einer gemessenen Leistung von 34,23 Milliarden Rechenoperationen pro Sekunde schaffte das System im November 1999 zum zweite Mal in Folge den Sprung auf die "TOP 500"-Liste der 500 weltweit schnellsten Rechner. Die effiziente und geschickte Nutzung der vorhandenen Ressourcen hat dazu beigetragen, mit dieser vergleichsweise kleinen Prozessorzahl dennoch an der Weltspitze mitzuhalten.
Sie wurden jüngst auf "Parnass2" mit einem am Institut für Angewandte Mathematik entwickelten parallelen Strömungssimulationsprogramm berechnet. Bei einer Gesamtzahl von ca. 8 Millionen Gitterpunkten und einem Speicherbedarf von etwa 850 Megabyte benötigt der Rechner zum Lösen eines jeden der 30.000 erforderlichen Zeitschritte immerhin noch eine halbe Minute.